Begeisterter Kernforscher
Prof. Andreas Pautz vom PSI erklärt, warum Kernforschung in der Schweiz wichtig ist und bleibt.
Professor Pautz, als Leiter des Forschungsbereichs Nukleare Energie und Sicherheit am Paul Scherrer Institut sind Sie ein Profi in Sachen Nukleare Sicherheit. Wie schätzen Sie die Sicherheit der Schweizer Kernkraftwerke ein?
Das PSI unterstützt seit vielen Jahren das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat bei Sicherheitsanalysen zu den Schweizer Kernkraftwerken. Deshalb bin ich mit den Anlagen gut vertraut und von ihren hohen Sicherheitsstandards überzeugt. In den Schweizer KKW wurden sicherheitstechnisch wichtige Nachrüstungen kontinuierlich vorgenommen und speziell nach Fukushima, so z.B. im Rahmen der Europäischen Stresstests noch erheblich ausgebaut. Das PSI trug und trägt auch mit Forschungsarbeiten im Auftrag der Kernkraftwerksbetreiber zu Nachrüstungen bei. Dazu betreiben wir grosse Versuchsanlagen, mit denen wir schwere Unfälle und ihre möglichen Auswirkungen erforschen, und vor allem wie man ihre Konsequenzen minimieren kann. Ein Beispiel dafür sind die Filtertechnologien, die wir entwickelt haben, um radioaktives Jod zurückzuhalten, sollte eine Druckentlastung des Reaktorcontainments nötig werden.
An welchen sicherheitsrelevanten Themen forschen Sie mit den Mitarbeitern am PSI und an der ETH Lausanne?
Zum einen untersuchen wir, wie Materialien in einem Reaktor unter Neutronenbestrahlung altern. Wir verfügen über fortgeschrittene Analysenmethoden und umfangreiche Materialproben, die Langzeitbestrahlung ausgesetzt waren. Festzustellen, wie sie sich bei zunehmender Laufzeit verändern und allenfalls weniger belastbar werden, ist ein wichtiger Beitrag an die Langzeitsicherheit.
Zum andern untersuchen wir, wie sich abgebrannte Brennelemente in einem Zwischenlagerbehälter mit den Jahren verhalten, was für die Sicherheit der gesamten Transport- und Zwischenlagerungskette bedeutend ist. Wir untersuchen auch die Konsequenzen und die Wirksamkeit von Notfallmassnahmen bei Störfällen in einem KKW. Hier liegt der Fokus auf dem Verhalten des Menschen in solchen Notfallsituationen.
Und beim Rückbau von Kernkraftwerken wollen wir Beiträge zu einer optimalen Rückbaustrategie leisten: der Rückbau muss sicher und mit minimalen Emissionen vonstattengehen, das Personal strahlenschutztechnisch stets geschützt sein und radioaktive Stoffe sollen so verarbeitet werden, dass möglichst geringe Abfallmengen entstehen.
Schliesslich entwickelt und testet mein Team am Forschungsreaktor CROCUS der ETH Lausanne innovative Neutronendetektoren, die eine frühzeitige Erkennung und Diagnostik von Anomalien im Reaktorkern, wie z.B. Vibrationen oder Durchflussstörungen ermöglichen werden. Das sind nur einige Beispiele aus unserer vielfältigen Sicherheitsforschung.
Braucht es überhaupt noch Kernforschung in der Schweiz, wenn die Energiestrategie 2050 den Neubau von Kernkraftwerken verbieten will? Reicht nicht die Forschung im Ausland?
Das PSI betreibt seit über 50 Jahren nukleare Spitzenforschung. Es gehört zu den weltweit führenden Organisationen im Verständnis von schweren Unfällen und verfügt über einzigartige Versuchsanlagen. Wir haben eines der europaweit wenigen Labors, das noch mit grösseren Mengen an radioaktivem Material, wie z.B. abgebrannten Brennstäben aus den Kernkraftwerken, umgehen kann. Diese nationale Kompetenz muss erhalten bleiben, und zwar vor allem, wenn die Schweizer Kernkraftwerke noch rund 25 Jahre in Betrieb bleiben. Denn in Sachen Sicherheit sollte man sich nicht vom Ausland abhängig machen. Wir müssen die nukleare Aufsicht und die Kernkraftwerke direkt und unkompliziert in Sicherheitsfragen unterstützen können und auch über unsere Forschungsprogramme hochqualifiziertes Personal ausbilden. Wenn wir nicht selber forschen, erodiert der aktuell hohe Stand von Wissenschaft und Technik unweigerlich – und damit die Sicherheit der Anlagen.
Braucht es die Kernenergie an sich noch? Die Energiezukunft gehört doch den erneuerbaren Energien.
Ich gehe davon aus, dass der weltweite Energiebedarf in den nächsten Jahrzehnten weiterhin massiv ansteigen wird. Die Kernenergie wird in vielen Staaten auch in Zukunft zur Elektrizitätsproduktion genutzt werden. Und auch wir werden in den nächsten Jahrzehnten vermutlich alle Stromversorgungsoptionen brauchen, erneuerbare wie nukleare.
Was motiviert Sie besonders, sich in der Kernenergieforschung zu engagieren?
Ich möchte einen Beitrag leisten zu solchen Reaktortechnologien, die allerhöchsten Ansprüchen an die Sicherheit und Nachhaltigkeit gerecht werden. Die Kernkraftwerke der Zukunft, die ich mir deshalb wünsche, bieten maximale Sicherheit gegen Störfälle und Einwirkungen von aussen und sind kosteneffizienter als fossile Energien, optimalerweise durch einen geschlossenen Brennstoffkreislauf. Das heisst, dass im Vergleich zur heutigen Endlagerung deutlich weniger langlebiger radiotoxischer Abfall entstünde. Solche Anlagen können einen relevanten Beitrag dazu liefern, dass wir endlich damit aufhören können, fossile Kraftstoffe zu verbrennen. Und dies besser heute als morgen.