So funktioniert ein Kernkraftwerk
Ein Kernkraftwerk produziert Strom aus Wärme. Es ist ein Wärmekraftwerk, wie es auch Kohle- oder Gaskraftwerke sind. Mit dem Unterschied, dass es bei der Wärmeproduktion weder Luftschadstoffe noch Treibhausgase erzeugt.
Mit der Energie, die bei der Spaltung von Atomkernen frei wird, wird wie in einem Dampfkochtopf unter hohem Druck Wasser aufgeheizt. Dabei entsteht heisser Dampf. Dieser Dampf treibt eine Dampfturbine an, die mit einem Generator verbunden ist. Der Generator erzeugt schliesslich Strom, der über das Stromnetz zu den Konsumenten geleitet wird.
Nuklearer und konventioneller Teil
Ein Kernkraftwerk besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen: Im nuklearen Teil wird durch Kernspaltung Wärme erzeugt. Im konventionellen Teil wird die Wärme in elektrischen Strom umgewandelt. Der konventionelle Anlagenteil ist jenem in Kohle-, Gas- und Erdwärmekraftwerken sehr ähnlich. Kühltürme sind deshalb keine Besonderheit von Kernkraftwerken – sie werden auch bei Kohle- und Gaskraftwerken eingesetzt. Was aus dem Kühlturm aufsteigt, ist eine reine Nebelfahne.
Wärmeerzeugung im Nuklearteil
Im Nuklearteil befindet sich das Herzstück der Anlage, der Reaktorkern. Er befindet sich in einem dickwandigen Reaktordruckbehälter aus Stahl und besteht aus mehrere Meter langen Brennelementen. Die Brennelemente bestehen wiederum aus Bündeln dünner Brennstäbe. In ihnen befindet sich der Kernbrennstoff in Form kleiner, uranhaltiger Tabletten (auch Pellets genannt). In den luftdicht verschlossenen Brennstäben läuft die Kernspaltung ab, bei der Wärme entsteht.
Der Kernbrennstoff Uran in der Form, wie er im Atomkraftwerk zum Einsatz kommt. Aus zwei solchen Uranoxid-Tabletten lässt sich soviel Strom erzeugen, wie ein 4-Personen-Haushalt in einem Jahr verbraucht. (Bild: KKG)
Weltweit gibt es verschiedene Reaktorsysteme. Die meisten davon sind Leichtwasserreaktoren. Auch die fünf Kernkraftwerke in der Schweiz – Beznau-1 und -2, Mühleberg, Gösgen und Leibstadt – sind mit Leichtwasserreaktoren ausgerüstet.
In den Leichtwasserreaktoren hat das Wasser zwei Aufgaben: Einerseits dient es als Kühlmittel und transportiert die Energie aus dem Reaktor zu den Dampfturbinen. Andererseits bremst es die bei der Kernspaltung frei werdenden Neutronen ab (elektrisch neutrale Bausteine des Atomkerns) und wirkt so als sogenannter Moderator. Nur wenn sie gebremst werden, können die Neutronen weitere Kernspaltungen auslösen (Kettenreaktion). Fehlt im Leichtwasserreaktor das Wasser, werden die Neutronen nicht mehr abgebremst und die Kettenreaktion hört auf. Es gibt zwei Varianten von Leichtwasserreaktoren: Druckwasserreaktoren und Siedewasserreaktoren. In der Schweiz sind beide Varianten vertreten.
Funktionsweise eines Kernkraftwerks mit Druckwasserreaktor
Bei den Druckwasserreaktoren (Beznau-1, Beznau-2 und Gösgen) wird im Reaktor das Wasser unter hohem Druck erhitzt, ohne dass es zu sieden beginnt. Das erhitzte Wasser wird zu Dampferzeugern ausserhalb des Reaktors geleitet, wo es seine Wärme an einen weiteren Wasserkreislauf abgibt. Das Wasser im zweiten Kreislauf erhitzt sich und verdampft. Dieser Dampf treibt die Turbinen im konventionellen Teil des Kernkraftwerks an.
Funktionsweise eines Kernkraftwerks mit Siedewasserreaktor
Bei den Siedewasserreaktoren (Leibstadt und Mühleberg) wird der Dampf im Reaktordruckbehälter erzeugt und direkt zu den Turbinen geleitet. Anders als bei den Druckwasserreaktoren enthält der zu den Turbinen gelangende Dampf Spuren kurzlebiger radioaktiver Stoffe.
Stromproduktion im konventionellen Teil
Im Maschinenhaus des konventionellen Anlagenteils stehen die Dampfturbinen und die Generatoren. Der heisse Dampf aus dem Reaktor treibt die Turbinen an, die wiederum den Generator antreiben, der die Bewegungsenergie in Strom umwandelt – wie bei einem Fahrrad, wo der Dynamo den Strom für die Lampe erzeugt.
Kühlung der Dampfturbine
Damit die Dampfturbinen die Wärme des zugeführten Dampfes in eine mechanische Bewegung umwandeln können, müssen die Temperatur- und Druckunterschiede vor und nach der Turbine möglichst gross sein. Deshalb wird der Dampf nach dem Austritt aus der Turbine über einen weiteren Wasserkreislauf so weit abgekühlt, dass er wieder zu flüssigem Wasser kondensiert. Eine Pumpe befördert dieses Wasser aus dem Kondensator zurück in den Dampferzeuger (Druckwasserreaktor) bzw. in das Reaktordruckgefäss (Siedewasserreaktor). Dort wird es erneut aufgeheizt und gelangt als Dampf wieder zu den Turbinen.
Direkte Kühlung mit Flusswasser
Das Wasser für die Kühlung des Dampfs beim Turbinenaustritt entnehmen die Kernkraftwerke Beznau-1, Beznau-2 und Mühleberg der Aare und leiten es leicht erwärmt in den Fluss zurück. Verbindliche Grenzwerte schützen die Aare vor übermässiger Erwärmung. Dieser Wasserkreislauf ist vom Reaktor vollständig getrennt und enthält keine radioaktiven Stoffe.
Kühlung mit einem Kühlturm
In den Kernkraftwerken Gösgen und Leibstadt wird der Kondensator mit Wasser gekühlt, das in einem Kreislauf vom Kraftwerk zum Kühlturm und wieder zurück fliesst. Im Kühlturm wird das im Kraftwerk erwärmte Wasser verrieselt. Dabei geben die herunterfallenden Wassertröpfchen Wärme an den Luftzug im Kühlturm ab (Kamineffekt). Ein kleiner Teil des Wassers verdunstet und wird beim Austritt oben aus dem Turm als Nebelfahne sichtbar. Sie besteht also aus reinen Wassertröpfchen und ist für die Umwelt unbedenklich. Der verdunstete Wasseranteil wird durch Wasser aus Aare (Gösgen) und Rhein (Leibstadt) ersetzt. Auch dieser Wasserkreislauf ist vom Reaktor vollständig getrennt und enthält keine radioaktiven Stoffe.
Einen solchen Kühlturm mit oft von weitem sichtbarer Nebelfahne nennt man Naturzug-Nasskühlturm. Die warme Luft steigt im Turm nach oben. Durch die Verengung in der Mitte und seine grosse Höhe von 140 und mehr Metern entsteht ein starker Luftzug von unten nach oben, wie in einem Hauskamin: Die warme Luft entweicht nach oben, während von unten kältere Umgebungsluft nachströmt. Diese kalte Luft kühlt die fallenden Wassertröpfchen, ganz ohne Zufuhr von Energie.
Daneben gibt es auch Hybrid-Kühltürme. Sie sind wesentlich niedriger als ein Naturzug-Nasskühlturm und erzeugen praktisch keine Nebelfahnen, sodass sie das Landschaftsbild kaum beeinträchtigen. Hingegen benötigt ein Hybridkühlturm Ventilatoren, die für genügend Luftzug sorgen. Das deutsche Kernkraftwerk Neckarwestheim hat einen solchen Hybridkühlturm. Er benötigt rund 1,4 Prozent der Stromproduktion des Kraftwerks.
Der Wirkungsgrad ist nicht das Mass aller Dinge
In einem Kernkraftwerk der heutigen Generation wird ein Drittel der durch die Kernspaltung freigesetzten Wärme in Strom umgewandelt. Ein modernes Gas-und-Dampf-Kraftwerk (GuD) hat hingegen einen Wirkungsgrad von bis zu 58 Prozent. Der Unterschied ist physikalisch bedingt: Kernkraftwerke werden mit einer Temperatur von rund 300 Grad betrieben, ein GuD hingegen mit Temperaturen von mehr als 1200 Grad.
Der maximale Wirkungsgrad eines Kraftwerks ist aufgrund physikalischer Gesetze beschränkt (Carnot-Faktor). Das heisst, mit steigender Temperatur steigt auch der maximale Wirkungsgrad. Kernkraftwerke einer zukünftigen Generation, wie beispielsweise der Ultrahochtemperaturreaktor, könnten dank ihrer hohen Prozesstemperatur auf Wirkungsgrade von 70 Prozent kommen.
Zusatznutzen klimafreundliche Fernwärme
Der Wirkungsgrad der Kernkraftwerke kann durch die konsequente Nutzung der Abwärme verbessert werden. So versorgt das Kernkraftwerk Beznau über das Fernwärmenetz Refuna mehr als 2600 Anschlüsse in Industrie, Gewerbe, öffentlichen Bauten und Privathaushaltungen mit Wärme. Rund 4000 Haushaltungen mit knapp 15’000 Bewohnern profitieren von dieser rationellen, wirtschaftlichen, umweltfreundlichen und CO₂-freien Wärmeversorgung.
Der für das Fernwärmesystem nötige Dampf wird im Kernkraftwerk Beznau dem Dampfkreislauf entzogen. Da er so nicht mehr zur Stromerzeugung zur Verfügung steht, ergibt sich eine elektrische Minderleistung von 6,2 bis 9 MW. Dafür steigt der gesamte Wirkungsgrad der Anlage (Generator- und Wärmeleistung im Verhältnis zur thermischen Reaktorleistung) auf 37 Prozent.
Auch das Kernkraftwerk Gösgen liefert Prozesswärme für zwei Papierfabriken. Mit den so jedes Jahr eingesparten 20’000 Tonnen Heizöl werden jährlich über 60’000 Tonnen CO₂ vermieden.
Radioaktivität einfach erklärt
Radioaktivität ist ein alltägliches Naturphänomen: Sie tritt auf, wenn sich ein instabiles Atom spontan in ein anderes umwandelt und «zerfällt». Dabei wird Strahlung erzeugt. Uran-238 verwandelt sich beispielsweise in das Element Thorium, dieses über mehrere Zwischenstoffe in Radium, das wiederum zum Edelgas Radon zerfällt, bis nach weiteren Umwandlungen eine Form von Blei entsteht, die sich nicht weiter umwandelt. Es ist ein Naturgesetz, dass alle instabilen Atomkerne mit der Zeit zu stabilen Kernen werden. Von den über hundert heute bekannten chemischen Elementen kennt man über 2700 Atomkernvarianten (Isotope). Davon sind gerade einmal 249 stabil. Die restlichen dieser Isotope sind instabil und damit radioaktiv.
Für die interaktive Isotopentabelle von Wikipedia klicken Sie bitte hier.
Fakten zum Nutzen der Kernenergie
Seit fünf Jahrzehnten nutzt die Schweiz die Kernenergie. Die hohen Erwartungen in diese Technologie werden weiterhin erfüllt. Mehr darüber im Faktenblatt des Nuklearforums Schweiz.