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19.12.2018

«Ich darf jeden Tag etwas Neues und Interessantes lernen.»

Laura Perez wird Pikett-Ingenieurin im KKW Gösgen. Sie erklärt, was dahinter steckt.

«Ich darf jeden Tag etwas Neues und Interessantes lernen.»

Frau Perez, Sie lassen sich im Kernkraftwerk Gösgen zur Pikett-Ingenieurin ausbilden. Was muss man sich unter diesem Berufsbild vorstellen?
Die Pikett-Ingenieure unterstützen die Schichtmannschaft, falls ein Störfall auftritt. Aber auch im Normalbetrieb, wenn die Operateure auf eine ungewohnte Situation stossen, können sie sich beim Pikett-Ingeneure eine unabhängige Zweitmeinung einholen. Dies setzt voraus, dass die Pikett-Ingenieure die Anlage mit ihren verschiedenen Systemen sehr gut kennen. Die Ausbildung zum Pikett-Ingenieur dauert deshalb in der Regel acht bis neun Jahre.

Was für eine Ausbildung haben Sie zuvor durchlaufen?
Ich habe nach der Primarschule das Langzeitgymnasium in Chur besucht und habe mich danach für das Bachelorstudium der Maschineningenieurwissenschaften an der ETH in Zürich eingeschrieben. Während des Bachelorstudiums wuchs mein Interesse an der Kernenergie stetig an, sodass ich mich für ein anschliessendes Masterstudium in Nuclear Engineering entschied.

Mit Ihrer Ausbildung würden Ihnen viele andere Berufsfelder offenstehen. Warum entschieden Sie sich ausgerechnet für die Arbeit in einem Kernkraftwerk?
Meine Studienwahl traf ich in erster Linie, weil sie meine Interessensgebiete am besten abdeckte. Dass mir damit viele Berufsfelder offenstanden, war ein glücklicher Nebeneffekt. Während meines Bachelorstudiums kristallisierte sich eine grosse Faszination für die nukleare Stromproduktion heraus. Ich wusste schon in den ersten Semestern, dass ich einmal in einem schweizerischen Kernkraftwerk arbeiten möchte. Gut also, dass mir auch dieser Weg mit meiner Studienwahl offen stand.

Warum setzen Sie mit 26 Jahren ganz auf Kernenergie – obwohl neue KKW in der Schweiz verboten sind?
Ich habe mich für eine Arbeitsstelle im Kernkraftwerk entschieden, weil mich die Arbeit dort am meisten interessiert und fasziniert. Die politische Lage finde ich zwar bedauerlich, hatte aber auf meine Entscheidungen keinen Einfluss.

Was ist also die grösste Herausforderung bei Ihrer Arbeit im Kernkraftwerk Gösgen? Und was macht Ihnen am meisten Freude?
Am meisten Freude bereitet mir, dass ich jeden Tag etwas Neues und Interessantes lernen darf. Kernkraftwerke bestehen aus sehr komplexen Systemen, die ich als angehende Pikett-Ingenieurin kennen- und verstehen lernen muss. Immer, wenn sich ein weiteres Puzzleteil in das grosse Ganze einfügt und ich wieder ein bisschen mehr Verständnis erlangen konnte, löst das ein grosses Glücksgefühl in mir aus.

Die grösste Herausforderung zeigt sich mir momentan wohl meist in dem, was manche als «einfache Dinge» bezeichnen würden: Im Arbeitsalltag kämpfe ich mit schweren Türen, die ich teilweise kaum öffnen kann (aber ich habe da meine Tricks!). Da ich fast mein ganzes Leben lang nur die Schulbank gedrückt habe, fehlen mir auch praktische Erfahrungen. Geht es beispielsweise darum, ein System zu entleeren, dauert es bei mir wohl doppelt so lange, wie bei einem geübten Anlagenoperateur; einfach, weil ich noch nicht weiss, welche Werkzeuge, Schläuche und Hilfsmittel ich benötige und deshalb mehrmals zum Lager laufen muss. In solchen Situationen bin ich immer froh, wenn meine Arbeitskollegen nachsichtig sind, mir etwas über die Schulter schauen und mir den einen oder anderen Trick verraten.

Begegnen Sie als erste weibliche Pikett-Ingenieurin Vorurteilen? Im beruflichen und im privaten Umfeld.
Im privaten Umfeld sind die meisten Leute schockiert, wenn ich sage, dass ich in einem Kernkraftwerk arbeite. Wenn sie dann aber erfahren, dass ich mich als erste Frau an etwas heranwage, finden sie es meist gut und fragen mich, ob ich dabei meine Schwierigkeiten habe.

Im beruflichen Umfeld begegne ich selten Vorurteilen. Zumindest wird mir dies nur selten offen gezeigt. Während der Revision meinte einmal ein Fremdmitarbeiter, dass Frauen auf der Schicht Unglück brächten. Wie früher auf den Schiffen. Und als dann tatsächlich etwas zu Boden fiel, war ja klar, wer Schuld war. Aber ich konnte ihn am Ende doch noch davon überzeugen, dass es nicht an mir lag.